Wir brauchen drei neue kategorische Imperative

«Die kompakte Zusammenfassung, die Du hier öffentlich gemacht hast, weist auf einen Durchbruch hin.» A.-K. H. am 04.01.2018

Faschistische und autoritäre Bewegungen, Systeme und Demagogen liefern zu allen Zeiten Lichtgestalten (eigene Nation, Ethnie, Rasse, Religion, Kultur) und Hassobjekte (Juden, Muslime, Ausländer, Flüchtlinge: fremde Ethnien, Nationen, Religionen, Kulturen). Beides hängt zusammen, deshalb ist auch Heimattümelei nicht nur etwas Harmloses: Ohne den Juden hätte es die Lichtgestalt des nordischen Germanen nicht gegeben (Victor Klemperer).

Ein Blick in die medialen Kommentarspalten genügt um zu erkennen, wie tief das Bedürfnis nach Hass sitzt und wie leicht es die Aufhetzer haben. Am Ende steht regelmässig der Völkermord. Charakteristisch für jeden Autoritarismus ist der Hass auf Fremde, die Verachtung Schwacher und eine feindliche Haltung gegen Intellektuelle. Weshalb wird Autoritarismus von unten gestützt?

Keine Ideologiekritik ohne Sinnkritik: Ideologie bezweckt, nicht mehr bemerken zu müssen, inwiefern das Abgründige, ‘Dunkle’ in Fremden und Fremdgesetzten nur phantasiert und inszeniert wird, um es nicht mehr am (eigenen) Sein wahrnehmen zu müssen. Fremden und Randständigen, welche die Bedrohung respektive das Untergehen des eigenen Daseins symbolisieren, werden Kriminalität respektive parasitäre Faulheit unterstellt. Der Hass auf Fremde und die Verachtung Schwacher werden auf diese Weise rationalisiert und legitimiert. Carl Schmitt, der «Kronjurist des Dritten Reiches», hatte solche Rationalisierungen nicht mehr nötig. Schmitt erklärte den Hass kurzerhand zur Eigentlichkeit.

Freiheit wird viel zu harmlos vorgestellt. Freiheit und Krisis sind identisch. Aus der Teilnehmerperspektive ist die Freiheit das Nächste, aus der Beobachterperspektive ist sie das Fernste. Sie ist der Horizont der Teilnehmerperspektive, des «Ich-Du-Verhältnisses» (Martin Buber). In einer existenzialen Analyse des Films The Hitch-Hiker interpretiert der ungarische Schriftsteller László F. Földényi das Beten als illusionsloses Durchleben des eigenen, existenziellen Ausgeliefertseins. Einer der beiden Männer, von denen der Film erzählt, befindet sich im Zustand vollständiger Verlassenheit, der zugleich ein Zustand vollständiger Offenheit ist. In diesem Zustand «tut sich das Nichts – beziehungsweise das nackte Sein – vor ihm auf». «Das ist der Zustand der Freiheit», so Földényi.

Dieser Zustand oder Existenzmodus der Freiheit (alternativ und im emphatischen Sinn: Glaube, Liebe, Offenheit, Ich-Fragmentierung, Unbewusstes, transcendens usw. – das Signifikat entgleitet!) ist der Sinn des Rechts. Moralisches Unrecht ist sinnkriterial eine Flucht vor Freiheit – und Recht bleibt gemäss Kant an die Moral gebunden, damit man es auch aus Freiheit (Kant: «aus Pflicht», nicht nur pflichtgemäss) befolgen kann: Aus dem Namenlosen, welches sich als Triebfeder selbst genügt.

Die namenlose, abgründige Freiheit oder Freiheit wird stellvertretend in ‘Objekten’ abgewehrt: Die Unverfügbarkeit der Welt, die ‘uns zum Grab’ wird, wird stellvertretend in Fremden gehasst (Angstabwehr). Die Unverfügbarkeit der eigenen Existenz, unser «Ausgeliefertsein» (Földényi) und Untergehen, wird stellvertretend in Schwachen verachtet (Schamabwehr). Stellvertretend in Intellektuellen wird schliesslich das Bewusstsein abgewehrt, dass man Freiheit und Verantwortung nicht wählt (Schuldabwehr). Fremde, Schwache und Intellektuelle – diese drei! – werden in jedem Faschismus verfolgt und vernichtet. Faschismus ist vorgespielte Stärke. In Wahrheit ist er zu schwach, sich den Grundaffekten Angst, Scham und Schuld zu stellen, die alle drei auf die Nichtwahl der Freiheit – und damit des Seienden im Ganzen und des Daseins, wie sie sind: in fundamentaler Hinsicht unverfügbar, transzendent – verweisen. Freiheit kommt objektbezogen in der Angst und subjektbezogen in der Scham zum Vorschein. Angst und Scham sind ein Zeiger auf die narzisstische Selbstüberhöhung.

Ideologische Sprachspiele verdecken, dass man überhaupt etwas abwehrt respektive verdrängt. Über alles betrachtet wird ein bestimmtes Sein (Freiheit, Grund und Abgrund), Tun (Abwehr dieses Abgrunds, das anthropologische Böse) und Wissen (Schuldbewusstsein) abgewehrt. Diese psychische Dimension von Konflikten, die sich nur einer existenzial-psychoanalytischen Herangehensweise erschliesst, ist in den gesellschaftlichen Konfliktanalysen nahezu athematisch – zum Schaden sowohl der Analyse als auch der gesellschaftlichen Emanzipation. Die Wissenschaft verdrängt.

Das Recht ist für die Schwachen da (Giusep Nay). Der Sinn des Rechts liegt in einem Erscheinenlassen des Begegnenden, Nächsten (oberste Norm: Verhältnismässigkeitsprinzip, Einzelfallgerechtigkeit) oder – negativ – in einem Nein zum ‘Verschwindenlassen’ des Nächsten hinter Kategorien des Bedrohlichen oder Verächtlichen, um in ihm einen Sündenbock zu gewinnen für jenes «nackte Sein» (Földényi), welches die Freiheit ist (oberste Norm: Diskriminierungsverbot, Verbot der Volksverhetzung).

Gleichheit ist von dieser summa lex – dem «Begegne!» oder «Sieh hin!» abgeleitet. Dieser Imperativ gilt auch und gerade hinsichtlich der Realität, nicht nur hinsichtlich des Mitmenschen. In der Begegnung und Konfrontation mit der Transzendenz der Realität erkennen sich Menschen als in fundamentaler Hinsicht gleich: Als gleich sterblich, verletzlich, ausgesetzt, frei. Freisein heisst Schwachsein (psychoanalytisch: «Kastration»). Daraus, dass er das Ausgesetztsein, welches er ist und als welches er sich (verdrängtermassen) erlebt, zu sein und zu erleben hat, bezieht der Mensch seine besondere Würde. Der Selbstmord wäre nur die Vorwegnahme der letzten Konsequenz desjenigen Seins, das man zu sein hat.

Die Gesellschaftskritik, die Rechtstheorie und die sogenannte «Kommunikation von Menschenrechten» (die Aktivisten) benötigen einen anderen respektive einen zusätzlichen, sinnkriterialen statt erkenntnistheoretischen Imperativ für ein tieferes Verständnis von Unrecht und Konflikten – einen Imperativ, der im Sinne Sartres, Heideggers und vieler anderer Autoren Ethik mit Analyse verbindet. Für diese Verbindung braucht es mehr als die soziologistische ‘Transdisziplinarität’ der real existierenden Konflikt- und Friedensforschung. Es braucht eine Synthese von Psychoanalyse und Sozialtheorie – dies ist ein altes, nicht erreichtes Ziel der Kritischen Theorie –, und für diese Synthese braucht es wiederum den Blick in die ganze Denktradition. Von einer solchen Renaissance des sinnkritischen Denkens sind wir weit entfernt. Bemerkbar macht sich im Gegenteil eine Tendenz, alles zu verneinen und zu verlachen, was nicht durch eine Studie unterlegt ist (Nanina Egli). Verbreitet ist eine fehlende Transzendenz- und Inkompetenz-Einsicht (Peter Strasser), Musils «höhere Dummheit».

Der erkenntnistheoretische Imperativ von Kant, der sein «radicales Böse» eingestandenermassen selber nicht verstand, lautet sinngemäss: «Behandle Andere so, wie Du selbst behandelt werden willst.» Dieser Imperativ hat letztlich nichts mit mir selbst zu tun als demjenigen, der ich augenblicklich bin. Wenn er mit mir zu tun hat, bin ich bereits der Andere des Imperativs, also räumlich und zeitlich versetzt: Ich könnte selbst in die Situation des ohnmächtigen Anderen geraten, der durch den Imperativ (das Recht) geschützt werden soll – zu einer anderen Zeit, an einem anderen Ort und als ein anderer.

In einer Verschiebung des Begründungsansatzes vom Anderen (respektive Allgemeinen) zum Selbst läge die Chance eines tieferen, psychoanalytischen Verständnisses des Rechtssinns, an welchen sich namentlich die Rechtsetzung (Stichwort: Identitäts- und Sündenbockpolitik) zu halten hat.

Existenzial (sinnkriterial-psychoanalytisch) lautet der kategorische Imperativ hinsichtlich des «radicalen Bösen» (Immanuel Kant), des «Urfaschismus» (Umberto Eco) und der Feindbildproduktion: «Wehre die abgründige Freiheit, die Du selber bist aber nicht hervorzubringen wagst, nicht agierend stellvertretend in Mitmenschen ab!»

Dieser Imperativ beschlägt die Angst- und Schamabwehr. Abgewehrt wird hier ein ‘Sein’.

Hinsichtlich ideologischer Sprachspiele (Abwehr der Abwehr, Verdrängung der Verdrängung, das daseinsanalytische «doppelte Nichtwissen») lautet der Imperativ: «Täusche Dich nicht unter Opferung Deines Verstands darüber, was genau Du an Fremden hasst und an Schwachen verachtest!»

Dieser Imperativ beschlägt die handlungssinn-verkehrende (präziser: den Sinn des Agierens verkehrende) Hass- und Selbsthass-Abwehr, die Carl Schmitt nicht mehr benötigt. Fremde werden als feindlich und Schwache als schädlich hingestellt. Der eigene Hass auf sie wird dadurch ideologisch rationalisiert («Vernünfteln»). Übertragen wird hier nicht der Abgrund der Freiheit, sondern die Abwehr der abgründigen Freiheit, Kants «radicale Böse» – beides ein ‘Dunkel’, doch radikal verschieden: Das Grauen ist nicht das Böse, das Böse schafft aber das menschengemachte Grauen.

Die Handlung, deren Sinn hier verkehrt wird, ist psychoanalytisch-metaphorisch zu verstehen. Verkehrt wird ein «Agieren», das heisst die Inszenierung oder ein ‘Hineinsehen’ von etwas in etwas. Ideologisch verkehrt wird hier das ‘Hineinsehen’ (Projektion) des Abgrundes in den Anderen. Diese ‘böse’ Projektion des «Dunkel des gelebten Augenblicks» (Ernst Bloch) auf Andere wird umgedeutet zur Abwehr eines Bösen, das im Anderen seiend und von diesem ausgehend phantasiert wird. Lebensfeindlichkeit (Hass und Selbsthass, das Nein zum Leben, das mephistophelische Prinzip) wird auf den Anderen verschoben. Damit werden gleich beide ‘Dunkel’ – der Abgrund und das Böse – auf den Anderen übertragen (Angst-, Scham, Hass- und Selbsthass-Abwehr). Abgewehrt wird hier ein ‘Tun’ (Agieren) respektive dessen verschlüsselte Sinn.

Und als einen dritten Imperativ hinsichtlich der sogenannten «Eliten», denen unterstellt wird, sie würden mit ihrer politischen Korrektheit Meinungen (die eigene Stimme) unterdrücken und Sprechverbote aussprechen: «Wehre nicht stellvertretend in Intellektuellen das Bewusstsein ab, dass Du Deine eigene, unverfälschte Stimme nicht erhebst!»

Dieser Imperativ beschlägt die – ebenfalls ideologische, sprachspielerische – Schuldabwehr. Schuldabwehr gelingt über die Verkehrung des Sinns von Handlungen (Sprechakten) Anderer. Der Ruf in die Verantwortung (Astrid Nettling: in die «Wahnfreiheit») wird zur Unterdrückung («Sprechverbote») verkehrt. Abgewehrt wird hier ein ‘Wissen’.

Diese drei – Sein, Tun, Wissen – (auch: Herz, Hand, Kopf) sind keine Gegenstände des gegenständlichen, erkenntnistheoretischen Denkens, sondern ‘Gegenstände’ des psychoanalytisch-sinnkritischen Denkens. Psychoanalyse untersucht Zustände und Spannungen, die weitenteils ausserhalb des Kognitiven liegen, so der in psychoanalytischer Rechtstheorie promovierte Jurist Martin Schulte. Ihre Sprache ist deshalb metaphorisch.

Abgewehrt respektive verdrängt werden erstens Transzendenz (Sein), zweitens das anthropologische Böse, i.e. die Abwehr von Transzendenz, das psychoanalytische «Agieren»: die Inszenierung des Abgrunds in der Welt (Tun) und drittens der Ruf des Gewissens (Wissen). Verdrängt wird – einmal mehr, einmal weniger und in den unterschiedlichsten Ausformungen – diese Trias. Das sogenannte Unbewusste wird gemacht, es ist das Verdrängte (Paul Sartre).

‘Wissen’ – das Schuldbewusstsein – ist sozusagen der Überflieger-Affekt. Der authentische Ruf des Gewissens kommt vom Transzendenten her (Ludwig Wittgenstein) und ruft in die eigene Urheberschaft. Er kommt von der Freiheit her – nicht vom Über-Ich her, nicht von internalisierter Autorität (Gesetz) her. Freiheit erfordert den «Vatermord», den Mord am Über-Ich, Ich-Ideal und Ideal-Ich. Authentische Funktion des Gesetzes, des Rechts, der Systeme, der Gesellschaft, der «Herrensignifikanten» ist diejenige eines «Übergangsobjekts»: Sie bilden eine Brücke zur Freiheit, sie sind eine Krücke der Freiheit. Authentischer Sinn aller Systeme ist die Erziehung und Befähigung zu Freiheit, das Freilassen. Dafür müssen sie «kastriert» sein (Lacan). Sie sind aber auch Vehikel der Abwehr (Adornos «Verblendungszusammenhang», Heideggers «Man»). So oder so: Sie werden geritten.

Freiheit kommt von unten nach oben in die Systeme – und auch die Unfreiheit kommt nicht von oben herab: Unterdrückungsverhältnisse unterdrücken und entfremden den Menschen rückwegig – zuerst unterdrückt dieser sich selbst. Er flieht vor dem namenlosen Tod – dem ‘nackten Sein’ – in haltgebende geschlossene Weltanschauungen, Unterdrückungs- und Abschottungsverhältnisse , die «Totalobjekte» (Verschmelzungsobjekte wie Volk, Nation, Rasse, auch Sexobjekte) als Freiheits- respektive Transzendenzsurrogate bereitstellen. Diese sind mit dem «Inzestverbot» belegt.

Im Inzestverbot liegt rationaler Sinn normativer Geltung, der weit über den abstrakten, erkenntnistheoretischen Sinn der Diskursethik hinausweist: Es gibt keine Totalobjekte (Hermann Lang). Es gibt keinen Weg zurück in die Verschmelzung, kein leichtes, ungebrochenes Glück. Das fascinosum des transcendens gibt es nicht als ein isoliertes. Hinsichtlich des tremendum-Aspekts der Freiheit lautet der rationale, tiefenpsychologische Sinn normativer Geltung: Das Nicht-Sein kann nicht  stellvertretend im Anderen vernichtet werden (Terry Eagleton).

Existenziale Analyse verbindet sich ganz zwanglos mit Ethik und gesellschaftlicher Emanzipation – falls man sie überhaupt leisten will! Hier liegt aber der Haken. Horst E. Richter bemerkt hinsichtlich der Freud’schen Psychoanalyse und des Biologismus zu entsprechenden Widerständen: «Die Hoffnung der Gesellschaft, die Verleugnung des Todes mit Hilfe der Psychoanalyse dadurch absichern zu können, dass diese in der Todesangst nichts als unverarbeitete Trennungs-, Kastrations-, Trieb- oder Überich-Angst nachweisen könnte, muss ebenso scheitern wie jene Hoffnung, alle Angst auf korrigierbare organische Fehlregulationen zurückzuführen.» Die Kultur hat den Tod nicht integriert (Theodor Adorno).

Die gesellschaftliche Verdrängung ist umfassend. Um weitere Menschheitskatastrophen zu verhindern, und auch im Interesse der Lebensqualität aller, muss sie aber zur Sprache kommen – von oben herab, von den angeschwärzten kulturellen und universitären Eliten her. Ein ‘neues’ Strukturmodell der psychischen Affektabwehr kann dabei hilfreich sein und ist oben skizziert. Über-Ich und Es im Freud’schen Strukturmodell sind von Abwehrformationen des Ich besetzt (Fromm: «okkupiert»). Die Freiheit fehlt bei Freud fast komplett (Ausnahme: im Über-Ich entsorgte «Ananke», «reale Not»). Affekte werden auf den Trieb bezogen statt umgekehrt das begehren auf Affekte.

In der Menschenrechtsverletzung, im moralischen Unrecht, in gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, in der Gleichgültigkeit und der Abwendung vom Nächsten liegt eine Selbstentfremdung und damit eine Selbstverletzung – Cicero bezeichnet sie als «höchste Strafe», über die man sich obendrein ideologisch selbst täuscht (Sartres «mauvaise foi»). Adorno weist darauf hin: Ethische Gleichgültigkeit sei in erkenntnistheoretischer Hinsicht eine Selbsttäuschung.

Dabei wäre es eine links-ideologische Illusion zu glauben, wir könnten ohne Selbstentfremdung leben. Die Selbstentfremdung (Identität, Winnicotts «falsches Selbst», Fromms «Pseudo-Selbst», Karl Jaspers’ «Sich-Ausbleiben» usw.) hat eine wichtige Schutzfunktion im Entwicklungsprozess des Menschen. Das Pathologische ist sozusagen gesund (Winnicott). Selbstentfremdung schützt vor psychotischer Dekompensation (tremendum). Freiheit und präpsychotische Krise sind identisch, und man kann niemanden durch Beschämung gewaltsam ‘befreien’ – in diesem Sinn lässt sich der Mensch nicht ändern. Und um das Ich selbstbestimmt «wegwerfen» (Adorno) zu können, muss man erst einmal eines entwickelt haben.

In programmatischer Hinsicht kann es der vorliegenden Analyse folglich nur darum gehen, dass die Rolle der Entfremdung (Abwehr) in Konflikten ins Bewusstsein rückt und gesellschaftlich zur Sprache kommt. Sie zielt auf Änderung des existenzialen, gesellschaftlichen Sprechens – nicht  auf Änderung des existenziellen, individuellen Seins. Ersteres könnte aber heilsam auf das Existenzielle wirken (Conflict Resolution). Die Gesellschaft darf (Ich-)Identität nicht absolut setzen, wenn sie sich gegen Autoritarismus und Totalitarismus immunisieren will. Es ist im Interesse sowohl der Analyse als auch der Emanzipation, wenn die komplexe Dialektik von Ich und Freiheit zur Sprache kommt.

Mit Volksinitiativen wie der Minarett- oder Burkaverbots-Initiative werden mächtige Feindbilder aufgebaut. Die ‘Sachfragen’ sind vorgeschobene Rationalisierungen, die auch die Initiativgegner für das Ganze nehmen: Die Gegner «agieren» mit. Diffamierungskampagnen werden als Initiativen getarnt (Serdar Somuncu). Wenn die AfD für Deutschland «mehr direkte Demokratie» fordert, meint sie solche Diffamierungs- und Hasskampagnen. Volksverhetzung gibt sich als Demokratie.

Gesellschaftlich zur Sprache kommen müsste dieses Wesentliche, nicht explizit Gemachte hinter rechtspopulistischen Initiativen: Die Feindbildproduktion, die ideologischen Rationalisierungs-Diskurse sowie deren Funktion für die (Aktivierung der) Abwehr (existenziale Konfliktanalyse). Gefragt wäre Konfrontation statt «Ernstnehmen von Ängsten». Ernstnehmen bedeutet Konfrontation.

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